Sajama

Der 10. August war ein bitterkalter Morgen. Um uns aufzuwärmen, legten wir den Weg vom Bahnhof zum Busterminal zu Fuß zurück. Das Busterminal von Oruro ist – wie alle bolivianischen Busterminals – schon von weitem an den Schreien der Ticketverkäufer zu erkennen: "Sale a Sucre, Sucre, Sucreeee", "Iquique, Quique, Quiqueeee". Das Terminal war so gut wie leer und alle, die irgendwo hinwollten, nahmen selbstverständlich den nächsten Bus und nicht den, der am lautesten angepriesen wurde – wobei der Abfahrtszeitpunkt allerdings nicht immer klar erkennbar ist: Eine Ticketverkäuferin schrie eine Stunde lang, dass ihr Bus nach Iquique "sofort" abfahren würde.


Eine weitere bolivianische Spezialität sind kaputte und unhygienische Toiletten. Die Regierung steuert mit großen Plakaten gegen, die in den WC-Anlagen aufgehängt werden und den Benutzer beispielsweise ermahnen, sich mit Seife die Hände zu waschen – es ist aber niemals eine Seife vorhanden. Eines der von uns getesteten Heisln in Oruro hatte nicht einmal Wasser zum Händewaschen.


Was es in Bolivien ebenfalls kaum oder nicht gibt, sind Supermärkte. 99 % aller Lebensmittelgeschäfte verkaufen nur süßes Brot, Süßigkeiten und Limonaden. Wir fanden in dieser 265.000-Einwohner-Stadt kein einziges ordentliches Geschäft, in dem wir uns für die Berge eindecken hätten können, und mussten uns mit ein paar staubigen Sardinendosen begnügen, die wir in einem Winkel eines kleinen Süßigkeitengeschäftes fanden (In Villazón an der Grenze hatten wir ein Klopapier-Fachgeschäft gefunden – ein Lebensmittel-Fachgeschäft hatte es auch dort nicht gegeben).


Die Ticketverkäuferin unserer Wahl hatte uns angewiesen, um 12 Uhr bei ihrem Ticketschalter zu sein. Mit etwas mehr als 30 Minuten Verspätung führte sie uns dann aus dem Terminal hinaus: Unser Bus parkte außerhalb des Terminals an einer Straßenecke, weiß der Teufel, warum.


Wenige Stunden später wurden wir an einer Straßenkreuzung ausgelassen. Wir waren davon ausgegangen, die 14 Kilometer ins Dorf zu Fuß gehen zu dürfen, aber wie es der Zufall wollte, kam im richtigen Moment ein Auto vorbei. Wir quartierten uns im Hotel "Altamontaña" ein und unternahmen in den nächsten Tagen einige kurze Bergtouren zum Akklimatisieren.


Sajama liegt auf 4.250 Metern, und an den ersten beiden Tagen spürten wir die Höhe immer wieder. Ein leichtes Ziehen im Kopf, Abgeschlagenheit, pochendes Kopfweh, die Symptome sind mannigfaltig. Wir vertrieben sie mit Kartenspielen, während der Wind ums Haus pfiff und an den Fenstern rüttelte. Joán, der vierte anwesende Tourist, ein Spanier, machte uns mit dem Kartenspiel "La Bocha" bekannt. Auch ein Archäologiestudent aus Texas schaute kurz vorbei: Wir erfuhren, dass der schnurgerade Weg, auf dem wir den Monte Cielo bestiegen hatten, eine der mysteriösen, zu rituellen Zwecken angelegten Sajama-Linien war. Außerdem erzählte er uns, dass er jedes Wochenende zum Duschen nach La Paz fuhr.


In einem kleinen Lebensmittelgeschäft machten wir die Bekanntschaft von Señora Sofia, die gerne bereit war, uns für unsere Bergtouren Fresspakete zu machen. Sie versorgte uns mit Quinoa, Pommes und Lamafleisch (Auch Pommes sind eine bolivianische Spezialität: Eines Abends waren sie sogar in der Suppe). Immer, wenn wir bei Señora Sofia einkauften, bat sie uns, die Zahlen für sie zusammenzurechnen.


An unseren ersten beiden Tagen in Sajama herrschte ein ziemlicher Sandsturm: Nach wenigen Stunden im Freien knisterte es zwischen den Zähnen, unsere Gesichter waren geschwärzt, und aus den Augenwinkeln wischten wir tonnenweise schwarzen Sand.


Die Nächte waren beißend kalt, drinnen wie draußen. Als wir uns eines Nachts kurz ins Freie wagten, um den Sternenhimmel zu bewundern, zeigte uns der Spanier, der sich gut mit Astronomie auskannte, Jupiter und Saturn.


Pettenbacher #2 glänzte mit der Frage, was wir uns für den Parinacota anziehen sollten. Die einzige mögliche Antwort: Alles!!
 

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