Die schönsten Wochen

Vieles hat sich getan in letzter Zeit, so viel, dass ich nicht einmal dazu gekommen bin, einen anständigen Blog-Eintrag zu schreiben. Seit zweieinhalb Wochen hab ich Ferien und am Faulenzen sind wir schon etwas länger (In den von Schülern zusammengestellten Video Announcements, die wöchentlich über das Schulgeschehen informieren, hat es zuletzt geheißen: „I couldn’t care less what’s going on. Let them find out themselves“).

 

Am 1. Mai haben wir ein Track-Meet @Lawrence Freestate gehabt und im Anschluss, zuhause, eine Tornadowarnung. Wir sind also kurzfristig in den Keller und haben am nächsten Tag erfahren, dass es in der nördlichen Metro von Kansas City zwei kleinere „Touchdowns“ gegeben hat. Von so Fertigteilhäusern bleibt da nicht viel übrig, dafür dürfte es aber auch wenig geben, das einem auf den Kopf fallen könnte. Es hat keinen einzigen Toten gegeben. An der Ostseite von Kansas City hat’s ein Fastfood-Lokal davongeblasen. XD


Mein letztes Track-Meet, die JV Sunflower League, war am 6. Mai. Als JV-Läufer von Olathe East hat man bei JV-Wettkämpfen anderen Schulen gegenüber einen großen Vorteil. Or, as Coach Meyers put it before we left: „We have not been losing a JV meet in 17 years and we are not planning on doing so today.“ Unsere four by eight-Staffel war wirklich schlimm, alle hand-offs eine Katastrophe, und Nathan ließ das baton schließlich einfach fallen. Nick musste abseits des Tracks unter Füßen hindurchtauchen und das frustrierte ihn dann doch ein bisschen (Er ist in den individuellen 800 dann aber unter 2:20 gelaufen und hat damit sein Saisonziel erreicht). Ich war the first leg und bin eine Zeit gelaufen, von der ich mir nicht mehr hätte träumen lassen: 2:12,6. Zwei Minuten und zwölf komma sechs Sekunden, mehr als vier Sekunden schneller als jemals zuvor. In den open 800 hab ich the second heat (den zweiten Durchgang) gewonnen. Ich bin konzeptgetreu im Windschatten anderer Teilnehmer geblieben, aber dann überholte ich den führenden Läufer, und ganz plötzlich gab’s da keinen Windschatten mehr. Naja, was bleibt einem anderes übrig, als zu rennen. ;) Ich bin (laut Coach) 2:13,2 gelaufen und damit war es vorbei. Wirklich vorbei, liebe Leute. Ich hab hier etwa neun Monate lang trainiert, hab das vorher nie gemacht und werd es in dem Ausmaß nie wieder tun. Werd jetzt wieder ein bisschen joggen und ein bisschen mehr radeln, ist viel gemütlicher so... :) Die Stimmung war das ganze meet über großartig, Maria, Peter, Nick und ich waren einfach froh, dass es vorbei war. Und es war ein toller letzter Wettkampf!


Der letzte Schultag für Seniors war der 15. Mai, ein Donnerstag. In Peer Mentoring haben wir beim Hinterausgang der Schule Hot Dogs und Burger gefuttert. Wir waren gerade beim Tanzen, als mich eine Schülerhilfe (aide) unseres Track-Headcoachs ins Gebäude beorderte. Coach Wallace winkte mich ungeduldig zu sich und eröffnete mir, dass er Austauschschülern zum Abschied gerne etwas schenkt. Ich bin also mit sweats (einer Trainingsmontur) heimgegangen. Mittlerweile hab ich endgültig mehr Zeug, als ich jemals zurück nach Österreich schleppen kann!


Ich hab finals in International Law und American History geschrieben (in Summe mit der Schwierigkeit eines durchschnittlichen Biologietests vergleichbar). Mrs. Britton, meine Lehrerin in Int’l Law, will mich irgendwann in Österreich besuchen kommen, daher hab ich ihr meine Adresse aufgeschrieben. Dann hab ich mich von meinem Geschichtelehrer, den ich sehr schätze, Mr. Kreimendahl, und von Mr. Thuston verabschiedet – letzteren muss man einfach einmal gesehen haben (Es lohnt sich, dafür nach Amerika zu reisen)! In den commons wurde kräftig gefeiert, die Seniors warfen traditionell ihre Mitschriften von der Brücke (als Konfetti). Ein paar Juniors brüllten „One more year!“ und die Sophomores sagten gar nichts... Sie gelten hier als Menschen zweiter Klasse und freuten sich wohl, dass sie ihrerseits im nächsten Jahr die Zehntklässler wie Dreck behandeln können. XD


In den Staaten ist es unter Schulabgängern verbreitet, ein „Open House“ zu veranstalten, eine Art Tag der offenen Tür für Freunde und Verwandte. Man präsentiert Bilder und bietet Essen, Getränke und (ganz wichtig) Torte an (Kleine Anmerkung; amerikanische Torte kann überhaupt nichts, ich freu mich schon wieder auf die Torten daheim, in Österreich). Das Open House von mir und Rachel war das größte, das mir untergekommen ist, vor allem deshalb, weil die Rachel weit über hundert Einladungen ausgeschickt hat. Aber es sind auch jede Menge netter Leute für mich oder für uns beide gekommen. Die Regan ist aus Baldwin angerückt und meine Gasteltern haben endlich den Aaron kennen gelernt. Mr. Schmale, unser Lehrer aus Peer Mentoring, und Aaron sind draufgekommen, dass sie sich aus ihrer Studienzeit @K-State (Kansas State University) kennen. Ich hab stapelweise Karten gekriegt, hat mich sozusagen umgehauen^^


Die allerletzte und eigentliche Zeremonie war Sonntagabend, 18. Mai. Der Turnsaal und das Auditorium, in das live übertragen wurde, waren zum Platzen voll (Hab ich irgendwann einmal erwähnt, wie groß diese Schule ist? In Olathe East gibt’s zwei Turnsäle und zwei Theatersäle, wobei der größere Theatersaal, das Auditorium, rund 850 Sitzplätze hat), und in der Mitte waren wir Seniors, in cap & gown, etwa 520 Leute. Vor unserem Einzug in den Turnsaal sind wir ungefähr eine Stunde lang im kleineren Turnsaal herumgestanden (Zitat Steven M.: „We are ready – me and my ten dollar Wal-Mart shoes!“). Begonnen hat es dann damit, dass wir im Gänsemarsch durch ein Spalier aus Lehrern gegangen sind und ihnen allen noch amal die Hand geschüttelt oder sie umarmt haben. Mrs. Britton aus International Law hat mir unbedingt ein Bussi geben müssen^^ Wichtigster Programmpunkt war dann die Aushändigung der Highschool Diplomas. Vom „Über die Bühne gehen“ (to walk across the stage) an amerikanischen Highschools habt ihr bestimmt gehört. Schlussendlich haben wir Blumen und zerschredderte Programmhefte in die Luft geworfen (Mit den caps könnte man nämlich jemandem wehtun) und damit waren wir Absolventen. =) Wurde ja auch Zeit. Den Jubel hättet ihr hören sollen.

 

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So ein Schulabgänger kommt nicht zur Ruhe... Jedenfalls nicht, wenn er nette Gastgroßeltern hat, die ihn für ein paar Tage mitnehmen, nach Iowa. Grandma & Grandpa Tasler haben mir am ersten Tag die gedeckten Brücken von Madison County, IA, gezeigt. Diese ländlichen Regionen sind eine komplett andere Erfahrung... In der Mitte von nirgendwo haben wir in einer hübschen, aufgelassenen Kirche einen freundlichen alten Mann getroffen, der uns über die covered bridges erzählt hat. Diese etwa 120 bis 140 Jahre alten Brücken sind recht nette Sehenswürdigkeiten. Überdacht hat man sie damals, um die Bohlen nicht dem Regen auszusetzen. In Winterset, IA, hat uns eine ebenso motivierte alte Frau durchs Geburtshaus von John Wayne geführt. Ich sollte mehr Filme schauen...


In Des Moines haben wir im Texas Roadhouse Abend gegessen. Restaurants in Amerika haben immer ihre Besonderheiten, irgendwelche netten Details, die sie von anderen Restaurants unterscheiden. Im Texas Roadhouse sind es Erdnüsse, in großen Fässern und kleinen Blechkübeln, überall. Die Schalen wirft man einfach auf den Boden. Für Grandma Tasler und mich gab’s Sirloin Steak, medium, Grandpa bestellte etwas weicheres „Roadkill“. Spätabends waren wir dann in Marshalltown.


Tags darauf hab ich meinen Gastgroßeltern geholfen, Meals on Wheels auszuliefern. Für Lunch sind wir ins Maid Rite. Bei Maid Rite gibt’s nur ein Produkt zur Auswahl, und zwar den Maid Rite: Einen Bun (Burger) mit wahlweise Zwiebeln, Gurkerl und Senf und so viel hausgemachtem Faschiertem (oder so) wie der Bun halt fassen kann. Das Restaurant besteht aus einer Küche und einer Theke, die die Küche an drei Seiten umgibt. Es gibt etwa zwanzig Sitzplätze und ein paar Nachspeisen... Die Nachspeisen sind wichtig, denn ein Maid Rite schmeckt nach gar nichts.


Grandpa’s großes Hobby ist die Fischerei, und deshalb sind wir jeden Tag angeln gegangen. In Ed’s Pond, außerhalb der Stadt, wimmelt es von Barschen und Bluegills (eine nordamerikanische Spezies) und als ich das erste Mal die Angel auswarf, zappelte es am anderen Ende der Leine nach weniger als einer Sekunde. Grandma verbrachte den zweiten Abend beim VFW (Veterans of Foreign Wars – sie ist dort Präsidentin), Grandpa und ich schuppten unsere Fische.


In Boone, Iowa, haben wir die Boone & Scenic Valley Railroad besichtigt, eine hübsche Museumsbahn. Zu den Sehenswürdigkeiten der Bahn zählt eine chinesische Dampflok, für Boone gefertigt in 1988.


Zurück aus Iowa waren wir während des Memorial Weekends wieder einmal am Lake und ich hab meine erste Fahrt mit einem Jetski gehabt. Montag waren wir mit Freunden der Familie tubing.


Die zweite Hälfte der letzten Maiwoche hab ich bei einigen meiner Lieblingsamerikaner verbracht – in meiner amerikanischen Lieblingsstadt, Baldwin City. Wir sind zu Elliotts Baseballgame und am Donnerstag war ich mit Regan und ihrer Freundin Catherine in Lawrence und Rad fahren in Baldwin. Regan hat mir den Taco Bell gezeigt, in dem sie arbeitet, und dann haben wir, als Catherine mich auf die schöne Aussicht hinter dem Auto aufmerksam gemacht hat, mit Catherine’s Auto einen Zaun über den Haufen gefahren.


Übers Wochenende sind wir ein letztes Mal nach Iowa gefahren, zum 50-jährigen Jubiläum der (anderen) Großeltern. Ich hab einmal mehr Verwandtschaftsverhältnisse studiert, Croquet gespielt und mit Mike gewettet, dass es einen gas price von $ 15/gallon brauchen wird, damit sich das System grundlegend ändert (und es in Amerika und anderen Teilen der Welt leistungsfähigere Eisenbahnen und anständige Elektroautos usw. gibt).


Ich bin in letzter Zeit so oft gefragt worden, wann mein Aufenthalt in den USA zu Ende sein wird, dass ich es schließlich selbst realisiert habe: Es sind nur mehr zweieinhalb Wochen! 18 Tage, 17 Tage, 16 Tage. Bei diesen Zahlen stockt mein Gedankenfluss manchmal und es geht nicht mehr weiter. Denn ich hab keine Vorstellung davon, wie das aussehen wird, in zweieinhalb Wochen. Leben in Amerika ist so irrsinnig normal!


Ich kann’s nicht glauben, wie schnell die letzten Monate vergangen sind... Und dass ich das Land mit den lustigen Wassertürmen und Briefkästen so bald verlassen werde. Aber die Aussichten sind verlockend – auf das beste Essen der Welt verzichte ich schon zu lange, und wenn sogar Lucys Schnauze schon ein bisschen aerodynamisch wirkt und beim Lesen neben jeder Seitenzahl ein unsichtbares „km/h“ steht, dann ist es höchste Zeit, in eine Welt zurückzukehren, in der es Eisenbahnen gibt. Richtige Eisenbahnen, mein ich... Ganz besonders freu ich mich latürnich auf meine Familie, auf daheim. :)


Ein paar Dinge muss ich unbedingt noch erledigen, bevor ich heimfahre: Ich will am Lake Wasserschifahren lernen, einen Chipotle-Burrito mit alles und ein Dessert essen, und in Kansas City einen Benzinpreis von über vier Dollar per Gallone sehen.