Falkenjunges (Die erste Schulwoche)

Sonntagabend haben wir in Olathe mexikanisch gegessen, dann hat mich Mrs. Stiefel bei Aaron abgeliefert.


Am ersten Abend war ich mir noch nicht ganz sicher, aber nach einer knappen Woche kann ich sagen, dass wir beide gut miteinander auskommen. Aaron kommt gern ein bisschen streng daher, aber man kann gut mit ihm reden, er hat auch Humor und gegenüber vielen anderen Amerikanern einen entscheidenden Vorteil: Als Leistungssportler ernährt er sich gesund, jedenfalls gesund genug. Ganz leicht fällt es mir noch nicht, ihn zu durchschauen, aber kleine Aufmerksamkeiten zeigen mir, dass alles in Ordnung ist: Ein nettes E-Mail aus der Arbeit, ein Schokokeks in der Küche oder was auch immer. Ich räume dann und wann freiwillig den Geschirrspüler ein oder zeige mich willig, irgendwas im Zusammenhang mit Haushalt zu lernen... Und so funktioniert das ganz gut.


Montag, 20. August, mein erster Schultag, war toll. Erste Stunde Yearbook. Wir acht, fünf Mädels, zwei Burschen und ein amüsanter Lehrer, sind die erste Woche gemütlich angegangen und haben erst einmal in Ruhe an den Macs herumgespielt. In der zweiten Woche gibt’s schon was zu essen... Der Lehrer, Mr. Mays, hat uns für Freitag ein Bagel-Frühstück versprochen.


Zweite Stunde Acting. Montag in der ersten Woche waren das Spiele zum Kennenlernen, inzwischen haben wir das erste Stück („Rebel Without a Cause“) durchgelesen... Und werden wohl demnächst mit dem Spielen beginnen. Ich hoffe, dass ich eventuelle, tief verborgene Talente im Bezug auf Theater spielen rechtzeitig aufspüren werde.


Dritte Stunde ist Englisch. Am ersten Schultag hat sich das noch etwas verwirrend angehört, aber mittlerweile kenn ich mich aus und kann einen „Clicker“ (eine Fernbedienung zum Lösen von elektronischen Quizzes) bedienen.


Vierte Stunde ist Peer Mentoring. Am Montag wurde ich der Klasse noch einmal vorgestellt und interviewte dann ein sehr nettes Mädel, das im Rollstuhl sitzt, Erica. Sie interviewte mich, und wenig später ging’s zum Lunch. Nicht für uns, sondern für die geistig beeinträchtigten Schüler. Ich spazierte mit Jake und einer ihn betreuenden Schülerin in die Küche und fragte, als sie gerade einmal nicht redete, ob er wisse, wie viel dafür zu bezahlen sei. Die Antwort interpretierte ich als „fifty“, das Mädel als „twenty“, und als ich ihn fragte, ob er sicher sei, zwanzig Dollar für das Essen ausgeben zu wollen, war das ein Schmäh, der so richtig gut angekommen ist. Der leitende Lehrer in Peer Mentoring, Mr. Schmale, ist spitze.


Am Freitag hatten Jake und Erica Geburtstag. Wir verbrachten die Stunde Torte essend und singend. Peer Mentoring gefällt mir neben Geographie am besten. Die Schüler sind leiwand und kameradschaftlich, auch diejenigen mit Behinderung. Steven ist der Beste. Wann immer geklatscht wird (und es wird immer geklatscht, wenn jemand eine Kleinigkeit leistet), springt er auf, fängt zu jubeln an und macht Stimmung. Dann beginnt einer der anderen behinderten Schüler wie irre zu wiehern... Und spätestens zu dem Zeitpunkt explodiert die ganze Klasse.


Während Sociology ist Lunch. Die Schüler sind in Ordnung, aber kein Vergleich zu Geography, beim selben Lehrer, Mr. Thuston. In Geographie unterhalte ich mich seit Montag sehr gut mit Dan, Rachel, Britney und vor allem mit Thomas, der vor sechs Jahren aus Israel hierher gezogen ist.


Mr. Kreimendahl, der Lehrer in American History (7. Stunde) ist nett, aber er spricht extrem schnell... Ich denke, in ein paar Wochen werde ich damit keine Probleme mehr haben.


Cross Country ist das Beste und war es auch schon am ersten Tag. Coach Daniels stellte den „foreign exchange student“ vor und das Team (bestehend aus „Hawks“ und ein paar Freshmen aus einer nahen Junior High), insgesamt 90 Schüler, applaudierte. Montag sind wir 4.5 miles durch den Wald gelaufen – Olathe ist für eine City erstaunlich grün. Ich wollte natürlich nicht blöd dastehen und bemühte mich daher, obwohl ich mich gänzlich unfit fühlte, eine passable Figur abzugeben. Was mir dann auch gelungen sein dürfte. Der schnelle Lauf fühlte sich in der sengenden Hitze verdammt nach Sterben an (Wald heißt nicht, dass der Weg durch Bäume abgeschirmt ist), aber er zahlte sich aus. Im Anschluss an das Training machte ich eine Serie von Bekanntschaften: „Good job. I saw you!“ ... „I saw you! You are very fast!” ... “Hi Anton! I am Alex!” ... “Hey Anton! Nice to meet you!“... „Hi! How are you doing?“ Und so ging’s dahin, bis ich zwanzig oder dreißig Gesichter und fast ebenso viele Namen kannte.


Bei den Streckübungen am Dienstag war ich mir nicht ganz sicher, ob mein Körper schon damit anfing, eisenhart zu werden, oder ob ich einfach nur taub war vor Schmerzen, aber ich lernte etwas Interessantes, nämlich einen guten Grund, warum kein Cross-Country-Läufer der Olathe East jemals aufgeben würde: An der Olathe East High rulen nicht die Footballer, sondern die Cross-Country-Läufer!
(Anmerkung, Mai 2008: In Olathe East rulen alle, oder zumindest glauben sie das.)


An Sprüchen mangelt es jedenfalls nicht: „Running is like banging your head against the wall. It’s hard, but it feels good afterwards.” Und: “Eat well, drink well, sleep well... For tomorrow we are running hell!” Der erste von den beiden leuchtet mir nicht ganz ein.


Samstagfrüh das erste kleine Rennen, genannt „Donut-Race“. Um 6:45 traf ich mich mit Kevin, unserem Team-Captain (Das große Team ist für bestimmte Zwecke in kleinere Gruppen geteilt), Nick, Beth und dem Rest unseres Teams und Beth teilte unsere T-Shirts aus. Wir acht oder neun Läufer sind die „P. F. Flyers“ („Hey, Flyers! Could you please fly a little bit over there? We were first here!“), abgeleitet von einem Wunderschuh aus irgendeinem Film, den Kevin einmal gesehen hat. Den Slogan auf der Rückseite hab ich gezimmert: „Wir sind schnell wie die Hölle!“ Die anderen Teams sind nicht weniger kreativ, am besten gefällt mir der Name der Gruppe „Patella Pain“ (mit schwarzen Shirts); ihr Captain leidet an Knieschmerzen. Unser Team wurde letztlich viertes von zwölf, wozu ich als 15. von 47 Burschen mit 13:16 über ca. 2,25 Meilen unebene Wiese meinen Teil beigetragen habe. Im Anschluss an das Rennen haben wir uns mit Donuts und jeder Menge anderem Zeugs vollgefressen.


Mittwoch war ich grade dabei, den 20-Minuten-Marsch nachhause anzutreten, als Emily, eine Cross-Country-Läuferin, neben mir anhielt: „Wanna ride?“ Donnerstag wartete sie vor der Tür auf mich, und so kommt’s, dass ich mir nun meinen Fußweg erspare.


Freitag ist Mason gekommen. Er lebt bei seiner Mutter in Burlington und kommt an Wochenenden vorbei. Mein Gastbruder ist also nur temporär... Er ist ganz nett, aber eben doch ein 6-Jähriger. Und weil ich den Großteil des Tages ja doch in der Schule bin, habe ich gegen unseren Zwei-Personen-Haushalt eigentlich nicht viel einzuwenden. Klar, Gastmutter wär auch nicht schlecht... Ich sollte Aaron schleunigst verkuppeln... ;) Samstag, 25. August, waren Aaron, Mason und ich mit netten Sportsfreunden von Aaron in Parkville, beim carnival.


In der Schule versteh ich mich besonders gut mit Thomas, Emily, Erica, Jesse, Grant und Beth. Und mit dem ganzen restlichen Haufen, besonders der Yearbook-, der Peer-Mentoring- und der Geography-Klasse, auch. Ich bin übrigens Senior.