Da wächst kein Gras mehr

„Sucreee, Sucreee, Lapalapalapaz, Lapalapalapaz!“ Die Bolivianer lieben es, die Fahrtziele ihrer Busse auszurufen. Zoryana und ich wollten nach Sucre, aber es stellte sich heraus, dass dort erst spät am Abend ein Bus hinfuhr. Also entschieden wir uns für La Paz.


Der Bus hatte, wie fast alle bolivianischen Reisebusse, zwei Stockwerke, und er war ein Graus: Die Klimaanlage war kaputt, die Fenster waren versiegelt, und der Motor machte Schwierigkeiten. Wir schwitzten wie verrückt und freuten uns auf eine kühle Nacht und aufs Hochland. Als es Abend wurde, war der Bus kaputt und musste geschoben werden. Kurze Zeit später überlegte er es sich aber noch einmal, brummte zornig auf und lief wieder.


Als wir aufwachten, befanden wir uns 4.000 Meter über dem Meeresspiegel, die kahlen Ziegelwände von El Alto begrüßten uns. Die obere Hälfte der Doppelstadt El Alto/La Paz bietet einen wahrhaft trostlosen Anblick. Umso spannender ist der Ausblick, wenn der Bus das Ende der Felsklippe erreicht und nach La Paz hinunterkurvt: Ein endloses Meer von kleinen, würfelförmigen Häusern, das sich über mehrere Hügelketten erstreckt, dahinter, weiß und erhaben, der majestätische Gipfel des Illimani (6.439 m).


Wir quartierten uns im Hostal „Austria“ ein, nicht aus Nostalgiegründen, sondern weil es gemütlich aussah und billig war. Der Besitzer, ein freundlicher alter Herr, zündete für jeden Gast, der ein Bad zu nehmen wünschte, höchstpersönlich mit einem langen Zündholz den Gasboiler an.


La Paz ist aufgrund seiner Topographie (Es ist überall verdammt steil und die Gassen sind total eng) deutlich weniger autoverstopft als andere Großstädte in Lateinamerika. Die neueste Errungenschaft und ein Dorn im Auge der Bus- und Taxifahrer ist das Teleférico, die ultimative Lösung für den Nahverkehr: Ein Seilbahnnetz vom österreichischen Hersteller Doppelmayr (Ungefähr zeitgleich mit uns weilte auch Heinz Fischer in La Paz, um sich bei Evo Morales für den Großauftrag zu bedanken). Drei Linien von insgesamt zehn Kilometern Länge sind schon in Betrieb, am Schluss soll das Netz mindestens dreimal so lang sein. Die Ausblicke, die sich aus der Seilbahn bieten, sind einmalig, und die Luft in El Alto ist verflixt dünn! Am Abend beobachteten wir einen Jugendlichen mit Springschnur, der für den Sport eine Sauerstoffmaske trug.


Wir vergnügten uns in diversen Straßenschluchten, auf den Textilienmärkten von La Paz und in der Seilbahn. Nach mehr als fünf Jahren wurde mir wieder das Vergnügen zuteil, in meine argentinischen Lieblingsbonbons zu beißen. Und es stellte sich heraus, dass es meine Lieblingsbonbons auch in Keksform, als Eis, Schokolade und als Waffel gibt.


Die indigenen Frauen Boliviens sind eine Sehenswürdigkeit für sich: Lange schwarze Zöpfe, kleine, runde Hüte, den Oberkörper mit großen bunten Stofftüchern umwickelt, die sie als Rucksack verwenden. Und kugelrund sind sie, die Bolivianerinnen! Jede von ihnen ist eine ganze Institution, eine dicker und gemütlicher als die andere. Und weil wir gerade so politisch korrekt und so poetisch sind, hier ein Tipp für deine eigene Bolivien-Reise: Wenn du in die Umlaufbahn einer solchen Bolivianerin gerätst, dann musst du aufpassen! Denn wo so ein bolivianischer Hintern einparkt, da wächst kein Gras mehr.

 

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